Analyse Zine
Kurze Analyse der Twitterauseinandersetzung
Vorab: Im folgenden Text sind weiterführende Links zu Twitter enthalten, beim Nutzen dieser gehen eure Daten an Twitter.
Zum 8. März 2021 veröffentlichte die Essener Besetzer*innengruppe trans*Fläche ein zine, mit dem entsprechenden Link wurde auf twitter vielfach interagiert. Das hierauf reagierende posting der Krefelder Antifa désaccord war wiederum Anlass für eine hitzige Onlinediskussion.
Im Zuge dieser wurden Follower vom Antifa désaccord,
durch trans*Fläche zu einer Stellungnahme aufgefordert. Dies soll
hiermit nun auch seitens der Anarchistischen Gruppe Krefeld geschehen.
Uns ist bewusst, dass die Prozesse in den sozialen Netzwerken deutlich
schneller ablaufen als das Verfassen dieser Stellungnahme, und sie somit
sicherlich bereits überholt haben. Stand: 13.03.2021 12:30 Uhr
1. Ziel der Debatte
Die Beiträge auf twitter erwecken vor allem in den frühen Stunden den
Anschein, als ginge es vor allem darum, Fronten zu verhärten und sich
gegenseitig als Gesprächspartner*in zu diskreditieren. Dies kann
gewünscht sein, muss es aber nicht. Um zu entscheiden, wie welche
Inhalte transportiert werden, müsste diese Zielsetzung zunächst geklärt
werden. Die Twitterbeiträge sind dabei nicht zwingend gleich
ausgerichtet mit den Beiträgen im zine. Beide sind nach unserem Informationsstand
jedoch weitgehend unredigiert, wobei das zine als Einheit erschienen
ist, twitter möglicherweise intern abgesprochene Gruppenpositionen
wiedergibt, aber vermutlich hauptsächlich unzusammenhängende
Einzeläußerungen.
Twitter.
Der Natur der Sache ist zueigen, dass sie nicht als Einheit betrachtet werden kann. Deshalb folgt eine grobe Betrachtung der bisherigen Hauptströmungen.Start war der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit an das zine „Gegen diesen Feminismus!“ durch den account der Antifa désaccord. Wir unterstellen die Intention, dass dadurch Twitternutzer*innen gewarnt werden sollten, schädliche Inhalte zu teilen, da Verwunderung darüber ausgedrückt wurde, dass „frauenfeindlicher Müll“ geteilt werde. Die Essener Gruppe selbst wäre dabei demnach zwar nicht Primärziel, aber vermittelt trifft sie der Vorwurf, frauenfeindliche Inhalte zu verbreiten. Als retour kam sowohl von trans*Fläche als auch von verschiedenen weiteren Twitternutzer*innen der Vorwurf der Transfeindlichkeit. Als Extremfall wurde dem désaccord-account (nicht durch den trans*Fläche-account) Nähe zum Faschismus vorgeworfen, was auch prompt von anderer Seite kritisiert wurde.
Ziel dieser Auseinandersetzungen scheint demnach das Finden politischer Lager und das Ausschalten der Propaganda des jeweils gegnerischen zu sein. Lagerbildung wird unterstützt durch das Einfordern von Positionierungen, wie es durch den trans*Fläche-account geschehen ist.
Mittlerweile
ist (am 11. März) auch eine Abhandlung des accounts @femkritik
veröffentlicht worden, die mehrere wichtige Aussagen und Forderungen des
trans*Fläche-zines kritisiert. Ziel ist hier erklärtermaßen das
Herausstellen falscher Analysen und die Anklage für das Übernehmen
antifeministischer Ideen im zine. Trans*Fläche
hat mittlerweile ebenfalls angekündigt, überarbeitete und neue
Schriften zu veröffentlichen, die Teile der geäußerten Kritik aufnehmen
sollen. Noch ist jedoch unklar, um welche Teile es sich hier handelt.
Jedoch wurde der bereits im vorliegenden zine geäußerte Selbstanspruch,
eine größere Vielheit der Hintergründe der Autor*innen anzustreben,
bekräftigt. Dies war allerdings nicht zentraler Kritikpunkt am zine in
der Onlinediskussion oder in den bisher veröffentlichten
Gruppenantworten.
Zine.
Hier werden die Absichten der Gruppe im Vorwort genannt:• Auf die Unterdrückung von Transmenschen durchs Patriarchat aufmerksam zu machen
• Transexkludierenden Feminismus zu kritisieren
• Das Bewusstsein für eigene Privilegien zu fördern
• Unredigierte Darstellung eigener „Gedanken und Perspektiven“
• Bildungsmaterial zu erzeugen
• Eine Diskussionsgrundlage anzubieten
Vermutlich
durch die offenbar große Autonomie der Autor*innen sind die
Einzelbeiträge nicht in jedem Fall konform mit diesen Zielen.
Das Ziel, Bildungsmaterial zu erzeugen, ist dabei in mehreren kurzen („Kolonialismus“) oder ausführlicheren (insbesondere „Warum Frauenkampf kein Feminismus ist“)
Kapiteln umgesetzt. Letztgenannter bekräftigt zudem (obwohl zuvor
einige Frauenrechtler*innen in Faschismusnähe gerückt wurden) den
formulierten Wunsch zu innerfeministischer Zusammenarbeit „im Sinne
kritischer Solidarität“.
Die Darstellung Persönlicher Gedanken
und Perspektiven nimmt den Hauptteil der Texte ein. Hier sind besonders
Erfahrungsberichte, Gedichte und Zeichnungen zu nennen, die betont als
Darstellung individuellen Erlebens ausgewiesen sind. Sie enthalten
jedoch auch erklärte Ziele, die nicht identisch mit den im Vorwort
formulierten sind. So etwa im Kapitel „Wer entscheidet, ob ich trans/ bin?“, an die Transcommunity gerichtet: „Ich will, dass wir uns gegenseitig unterstützen,
anstatt uns fertig zu machen. Ich will eine trans*Community, in der
sich alle [Transmenschen] sicher, willkommen und ernstgenommen fühlen.“
Der Text solle zudem Mut machen und das Gefühl der Vereinzelung
durchbrechen helfen. Hier besteht kein Widerspruch zum gesprächsbereiten
Duktus des Vorwortes. Anders schließt der als „emotionaler Text voll
angestauter Ohnmacht, Wut und Trauer“ markierte Beitrag „Ohn(e)macht –
Sprachlosigkeiten über Körpersprache“ mit rein konfrontativen
Forderungen (Abschaffung des Frauen-/Frauen*-Kampftages zu Gunsten eines
Antipatriarchalen Kampftages, „Tod dieser Wissenschaft“).
Die
„Selbstkritik“ am Ende sticht insofern heraus, als sie auf andere
Beiträge Bezug nimmt und einlenkend „insgesamt eine inklusivere
Bewegung“ einfordert, „in der sich Menschen gegenseitig in ihren Kämpfen
supporten, solidarisch miteinander sind, sich selbst hinterfragen,
anderen Menschen zuhören und diese respektieren“.
Während also die Onlinediskussion in Richtung gegnerischer bis verfeindeter Lager steuert, ist die Ausrichtung des zine nur in Teilen dorthin orientiert.
2. Bewertung der Mittel anhand der Zielsetzung
Diese Bewertung ist rein formal, nicht inhaltlich.
Dass ein Beitrag einem Zweck dienlich ist, bedeutet also nicht, dass er
dies inhaltlich richtig tut. Zu einer guten Kritik mehrerer Punkte
verweisen wir zum einen aus Abschnitt 3 dieses Textes und zum anderen auf den veröffentlichten Text von femkritik .
Die Propaganda politischer Gegner*innen oder Feind*innen (wie auf twitter) zu unterbinden ist grundsätzlich ein legitimes Mittel. Wenn das Ziel entsprechend gelagert ist, ist der Verweis auf unfairen Stil also unangebracht. Solidarisches Lernen an den Erkenntnissen anderer wird so zwar behindert. Wir möchten aber noch einmal betonen, dass dieses nicht in jedem Fall notwendig ist.
Der Tonfall des Zines ist teils genau so eine Aufkündigung von Solidarität, und dies wird auch jeweils begründet. Die Begründungen sind zum Teil aus Wut gespeist, was als Motivation ebenfalls legitim und genau so kommuniziert ist. Im Gegensatz zu inhaltlichen Aussagen mit universellem Wahrheitsanspruch unterliegen individuelle Bekundungen von Wut und nicht der inhaltlichen Kritik und können als solche, also Darstellung der eigenen Gefühlswelt, bestehen. Die jeweils mit einer Bekundung eigener Betroffenheit verknüpfte inhaltliche Aussage muss sich aber sehr wohl der Kritik stellen.
Insgesamt wird, wie beabsichtigt, transexkludierender Feminismus kritisiert. Dies geschieht sowohl denunziatorisch als auch solidarisch.
Erfahrungsberichte und eher künstlerische Beiträge können dem Ziel der Bildungsarbeit insofern dienen, als sie es dafür offenen Cismenschen erleichtern, die Erfahrungen im Alltag von Transmenschen nachzuvollziehen. Bei entsprechender Selbstreflexion in der Leser*innenschaft kann dies sicher auch die eigene Position zu erkennen helfen und das Bewusstsein für gegenüber Transmenschen vorteiligen Voraussetzungen schärfen.
Wird eine solidarische Diskussion gewünscht oder gar gefordert, steht dies also im Widerspruch zu einigen Beiträgen im zine!
Das Zusammenstehen sich widersprechender Ansprüche, Inhalte und Strategien im zine ist gewollt. Es mag als Selbstzweck gelten, steht jedoch dem Erreichen anderer Zwecke eher im Wege.
Die Propaganda politischer Gegner*innen oder Feind*innen (wie auf twitter) zu unterbinden ist grundsätzlich ein legitimes Mittel. Wenn das Ziel entsprechend gelagert ist, ist der Verweis auf unfairen Stil also unangebracht. Solidarisches Lernen an den Erkenntnissen anderer wird so zwar behindert. Wir möchten aber noch einmal betonen, dass dieses nicht in jedem Fall notwendig ist.
Der Tonfall des Zines ist teils genau so eine Aufkündigung von Solidarität, und dies wird auch jeweils begründet. Die Begründungen sind zum Teil aus Wut gespeist, was als Motivation ebenfalls legitim und genau so kommuniziert ist. Im Gegensatz zu inhaltlichen Aussagen mit universellem Wahrheitsanspruch unterliegen individuelle Bekundungen von Wut und nicht der inhaltlichen Kritik und können als solche, also Darstellung der eigenen Gefühlswelt, bestehen. Die jeweils mit einer Bekundung eigener Betroffenheit verknüpfte inhaltliche Aussage muss sich aber sehr wohl der Kritik stellen.
Insgesamt wird, wie beabsichtigt, transexkludierender Feminismus kritisiert. Dies geschieht sowohl denunziatorisch als auch solidarisch.
Erfahrungsberichte und eher künstlerische Beiträge können dem Ziel der Bildungsarbeit insofern dienen, als sie es dafür offenen Cismenschen erleichtern, die Erfahrungen im Alltag von Transmenschen nachzuvollziehen. Bei entsprechender Selbstreflexion in der Leser*innenschaft kann dies sicher auch die eigene Position zu erkennen helfen und das Bewusstsein für gegenüber Transmenschen vorteiligen Voraussetzungen schärfen.
Wird eine solidarische Diskussion gewünscht oder gar gefordert, steht dies also im Widerspruch zu einigen Beiträgen im zine!
Das Zusammenstehen sich widersprechender Ansprüche, Inhalte und Strategien im zine ist gewollt. Es mag als Selbstzweck gelten, steht jedoch dem Erreichen anderer Zwecke eher im Wege.
3. Einige inhaltliche Punkte
Bezüglich
twitter ergibt eine inhaltliche Einordnung wenig Sinn. Es bleibt
höchstens zu bemerken, dass der Verdacht sich aufdrängt, dass gerade in
den ersten Stunden auch die harschesten Anschuldigungen nicht zwingend
aus einer Auseinandersetzung mit den vertretenen Inhalten der jeweils
als gegnerisch/feindlich markierten Gruppe/Person gespeist waren.
Als lesenswerte Kritik möchten wir hier ein weiteres Mal auf den Text von femkritik hinweisen. Während wir im folgenden nur einen Punkt exemplarisch herausgreifen, werden dort gefährliche Analyseschwächen bezüglich Kolonialismus, der Tabuisierung weiblicher Körperlichkeit und Sexualität, dem Verständnis sexualisierter Gewalt aber auch der Frage solidarischen oder gegner*innenschaftlichen Kampfes thematisiert.
Werden Antifa désaccord und die Verfasser*innen von „Gegen diesen Feminismus!“ als inhaltliche Hauptakteur*innen gesehen, ergibt sich die Schwierigkeit, dass zumindest letztere absichtlich nicht mit einer, sondern vielen Stimmen sprechen. Trotzdem lassen sie ihre Ausrichtung, wo sie zum Tragen kommt, grob als eine postmodernistische, an queer theory und postcolonial studies angelehnte erkennen. Désaccord orientiert sich hingegen an Kritischer Theorie. Diese Ansätze sind schon in Grundsatzfragen nicht vereinbar und erzeugen entsprechend unterschiedliche Einschätzungen.
Somit werden unterschiedliche gedankliche Voraussetzungen und sogar Begriffsapparate verwendet. Trotzdem wird auf keiner Seite die Existenz von Transmenschen oder auch patriarchaler Herrschaft geleugnet. Zudem gehe ich davon aus, dass kein*e Akteur*in Feindschaft gegen Cisfrauen oder Transmenschen beabsichtigt und stattdessen den Vorwurf jeweils begründet von sich weisen wird. Die Vorwürfe speisen sich aus den je abgeleiteten Folgen der je gegnerischen Position. In ihrer Struktur sind sie jeweils so hoffentlich korrekt wiedergegeben:
Als lesenswerte Kritik möchten wir hier ein weiteres Mal auf den Text von femkritik hinweisen. Während wir im folgenden nur einen Punkt exemplarisch herausgreifen, werden dort gefährliche Analyseschwächen bezüglich Kolonialismus, der Tabuisierung weiblicher Körperlichkeit und Sexualität, dem Verständnis sexualisierter Gewalt aber auch der Frage solidarischen oder gegner*innenschaftlichen Kampfes thematisiert.
Werden Antifa désaccord und die Verfasser*innen von „Gegen diesen Feminismus!“ als inhaltliche Hauptakteur*innen gesehen, ergibt sich die Schwierigkeit, dass zumindest letztere absichtlich nicht mit einer, sondern vielen Stimmen sprechen. Trotzdem lassen sie ihre Ausrichtung, wo sie zum Tragen kommt, grob als eine postmodernistische, an queer theory und postcolonial studies angelehnte erkennen. Désaccord orientiert sich hingegen an Kritischer Theorie. Diese Ansätze sind schon in Grundsatzfragen nicht vereinbar und erzeugen entsprechend unterschiedliche Einschätzungen.
Somit werden unterschiedliche gedankliche Voraussetzungen und sogar Begriffsapparate verwendet. Trotzdem wird auf keiner Seite die Existenz von Transmenschen oder auch patriarchaler Herrschaft geleugnet. Zudem gehe ich davon aus, dass kein*e Akteur*in Feindschaft gegen Cisfrauen oder Transmenschen beabsichtigt und stattdessen den Vorwurf jeweils begründet von sich weisen wird. Die Vorwürfe speisen sich aus den je abgeleiteten Folgen der je gegnerischen Position. In ihrer Struktur sind sie jeweils so hoffentlich korrekt wiedergegeben:
- Vorwurf der Transfeindlichkeit:
Mit der Zurückweisung von Positionen der trans*Fläche wird einer Frauenrechtsbewegung das Wort geredet, die Transmenschen ausschließt. Damit ist die Zurückweisung selbst transfeindlich.
- Vorwurf der Frauenfeindlichkeit:
Indem die Position von Cisfrauen als privilegiert gekennzeichnet und damit dem System der Unterdrückung zugerechnet wird, abstrahiert trans*Fläche von tatsächlich stattfindender Herrschaft über Cisfrauen. Dadurch wird der Kampf gegen diese Herrschaft behindert.
siehe auch das Statement der Antifa désaccord
Der
erste Vorwurf leidet an der logischen Schwäche, dass eine Zurückweisung
der Position nicht identisch mit einer Befürwortung des transexkludierenden Feminismus ist.
Unter der Voraussetzung, dass Herrschaft über Cisfrauen gegeben ist, halten wir den zweiten Vorwurf für richtig. Um dies zu verdeutlichen, sei sich eines extremen Beispiels bedient: der Aussage „Reproduktion ist ein Privileg!“ in „Ohn(e)macht…“.
Sie zeigt deutlich, dass „Privileg“ hier als zentrale Kategorie ungeeignet ist. Einerseits ist der Wunsch nach eigener Reproduktionsfähigkeit für viele Trans- und auch Cismenschen (noch) unerfüllbar, und von reproduktionsfähigen Menschen sollte Rücksichtnahme auf die Gefühle jener gefordert werden. Dabei ist es hilfreich, deren Leid zu verstehen, und entsprechende Erfahrungsberichte können dieses Verständnis begünstigen. Jedoch wünscht sich nicht jeder gebärunfähige Trans- oder Cismensch diese Fähigkeit. Der entsprechende Leidensdruck ist damit weder streng an Gebärfähigkeit, noch an Trans- oder Cisgeschlechtlichkeit gebunden.
Das größere Problem an der Behauptung, Reproduktion sei ein Privileg, ist aber anders gelagert:
Gerade die Reproduktionsfähigkeit der meisten Cisfrauen wurde, hauptsächlich durch Cismänner, zum Moment patriarchaler Unterdrückung gemacht.
Aus ihr wurde eine Unzahl Dimensionen herrschaftlicher Frauenbilder abgeleitet: Die irrationale Naturverbundenheit, die Häuslichkeit, die Fürsorglichkeit, das Schutzbedürfnis, die Unreinheit des Körpers. Diese Bilder betreffen nicht nur Cisfrauen, sondern können alle treffen, die nicht zur Cismännlichkeit gehören. Sie sind der geistige Anteil sich real vollziehender Unterdrückung, die von unbezahlter Fürsorgetätigkeit über den Ausschluss aus dem öffentlichen Leben bis hin zu direkter Fremdkontrolle über oder Verstümmelung der Geschlechtsorgane reicht. Gerade cismännliche Kontrolle über Reproduktion, die sich etwa in direkter Gewalt oder restriktiven Abtreibungsgesetzen äußern kann, ist der reale und körperliche Schrecken, den hauptsächlich Cisfrauen erfahren. Von diesem zu abstrahieren und die von ihm Bedrohten generell zu Agentinnen des Patriarchats zu erklären, ist in der Wirkung tatsächlich „frauenfeindlich“.
Noch einmal: Kontrolle über die Reproduktion ist nicht irgendein, sondern zentrales Moment des Patriarchats, der „Herrschaft der Väter“, von dem andere Dimensionen patriarchaler Unterdrückung abgeleitet sind. Eben diese Beherrschung zu bekämpfen, müsste deshalb Ziel aller Gegner*innen des Patriarchats sein.
Unter der Voraussetzung, dass Herrschaft über Cisfrauen gegeben ist, halten wir den zweiten Vorwurf für richtig. Um dies zu verdeutlichen, sei sich eines extremen Beispiels bedient: der Aussage „Reproduktion ist ein Privileg!“ in „Ohn(e)macht…“.
Sie zeigt deutlich, dass „Privileg“ hier als zentrale Kategorie ungeeignet ist. Einerseits ist der Wunsch nach eigener Reproduktionsfähigkeit für viele Trans- und auch Cismenschen (noch) unerfüllbar, und von reproduktionsfähigen Menschen sollte Rücksichtnahme auf die Gefühle jener gefordert werden. Dabei ist es hilfreich, deren Leid zu verstehen, und entsprechende Erfahrungsberichte können dieses Verständnis begünstigen. Jedoch wünscht sich nicht jeder gebärunfähige Trans- oder Cismensch diese Fähigkeit. Der entsprechende Leidensdruck ist damit weder streng an Gebärfähigkeit, noch an Trans- oder Cisgeschlechtlichkeit gebunden.
Das größere Problem an der Behauptung, Reproduktion sei ein Privileg, ist aber anders gelagert:
Gerade die Reproduktionsfähigkeit der meisten Cisfrauen wurde, hauptsächlich durch Cismänner, zum Moment patriarchaler Unterdrückung gemacht.
Aus ihr wurde eine Unzahl Dimensionen herrschaftlicher Frauenbilder abgeleitet: Die irrationale Naturverbundenheit, die Häuslichkeit, die Fürsorglichkeit, das Schutzbedürfnis, die Unreinheit des Körpers. Diese Bilder betreffen nicht nur Cisfrauen, sondern können alle treffen, die nicht zur Cismännlichkeit gehören. Sie sind der geistige Anteil sich real vollziehender Unterdrückung, die von unbezahlter Fürsorgetätigkeit über den Ausschluss aus dem öffentlichen Leben bis hin zu direkter Fremdkontrolle über oder Verstümmelung der Geschlechtsorgane reicht. Gerade cismännliche Kontrolle über Reproduktion, die sich etwa in direkter Gewalt oder restriktiven Abtreibungsgesetzen äußern kann, ist der reale und körperliche Schrecken, den hauptsächlich Cisfrauen erfahren. Von diesem zu abstrahieren und die von ihm Bedrohten generell zu Agentinnen des Patriarchats zu erklären, ist in der Wirkung tatsächlich „frauenfeindlich“.
Noch einmal: Kontrolle über die Reproduktion ist nicht irgendein, sondern zentrales Moment des Patriarchats, der „Herrschaft der Väter“, von dem andere Dimensionen patriarchaler Unterdrückung abgeleitet sind. Eben diese Beherrschung zu bekämpfen, müsste deshalb Ziel aller Gegner*innen des Patriarchats sein.
4. Fazit
- Der heutige Feminismus kann für alle Menschen kämpfen, die vom Patriarchat unterdrückt werden. Dies umzusetzen liegt aber auch in der Hand der Orgagruppen von Veranstaltungen
- Das Patriarchat wird nicht am 8 März bekämpft, sondern immer. Somit gilt es, eine Grundhaltung von FLINTA-Solidarität im Feminismus zu etablieren.
- Sich von trans*Fläche zu distanzieren ist nicht gleichbedeutend mit Transfeindlichkeit, dies zu behaupten wäre eine unnötige Spaltung